Artikel aus der FERNWEH, November 2017

Artikel:

In den letzten Wochen sind die verschiedenen Viertel immer mehr gesprühte Parolen an Wänden, Autos, Kirchen und Garagentoren aufgetaucht, die sich unter anderem gegen die Aufwertung der Stadt, gegen Kapitalismus, Yuppies, Reiche und die Polizei richteten. Vielleicht aufgrund der hohen Anzahl der Sprüche, der unzähligen um ihre Lieblinge besorgten Autobesitzer oder der Blamage der Polizei, die im Dunklen tappte, wurde das Ganze von sämtlichen Medien aufgegriffen und sklandalisiert. Nun haben die Bullen aufgrund von Ermittlungen und Kameraaufnahmen zwei Leute festgenommen, die sie verdächtigen dafür verantwortlich zu sein. Die eine Person ist seit Di, dem 10.10 in Untersuchungshaft (und wurde nach mehreren Tagen wieder rausgelassen), die andere Person seit Do, dem 12.10. Die andere Person zeigte sich wohl nicht kooperationsbereit und machte keine Aussagen. Weil diese Person an keinem festen Wohnsitz gemeldet ist, wollen die Bullen ihn mit der Begründung der “Fluchtgefahr” zumindest bis zum Prozess drinnen behalten.

Schon seit einiger Zeit beteiligten sich die Medien an der Hetze gegen die “Übeltäter”, die sich anmaßen das Heiligste eines jeden Bürgers anzugreifen, und zwar das Eigentum (und die eine oder andere Kirche) und nutzten die Gelegeheit einerseits um Schlagzeilen zu machen und andererseits um ihre Rolle als Handlanger der Bullen gerecht zu werden, und Zeugen, die evetuell etwas beobachtet haben zum Denunzieren zu locken. Eine tiefergehende Kritik an der kapitalistischen Vermarktung und dem Ausverkauf der Stadt an (Erfolg-)Reiche hat nichts mit angeblichen “Sozialneid auf Wohlhabende” zu tun, wie es z.B. Die Süddeutsche Zeitung versuchte, die Gründe für solche Sprüche zu erklären. Dies ist nur der Versuch, die Ideen, die hinter einer Parole stehen zu verschleiern und ein Bild zu kreieren, das besser in die kapitalistische Logik des “Jeder-gegen-jeden-wer-am-höchsten-aufsteigt”passt.

Es spielt keine Rolle, ob die beiden Festgenommenen etwas mit den Graffitis zu tun haben oder nicht. Es entspricht klar der Logik der Bullen, die gefangenen Leute als “die Schuldigen” darzustellen, die angeblich für alle registrierten Graffitis in der vergangenen Woche verantwortlich seinen und ihren Ermittlungserfolg zu demonstrieren. Doch in der Stadt gibt es zum Leidwesen der Bullen, Ordnungsfetischisten und Sauberkeits-Liebhaber hunderte Sprüher, die Sprüche aller Art dort anbringen, wo es ihnen gefällt, und wo es jeder, der mit offenen Augen durch die Stadt geht, sehen kann – und das nicht erst seit die “Serie der Schmierereien” Anfang September begann!

An den Beiden sollen wohl durch das Einknasten besondere Exempel statuiert werden, auf dass niemand mehr seinen Hass oder seinen Ideen mittels Sprühdose Luft machen kann.

Aber was wäre, wenn die nächsten Sprüche schon an den Wänden glänzen, bevor die alten weggeputzt sind?

Was wäre, wenn Münchens schicke polierte Hochglanzfassade bekommt, was sie verdient?

Kein Wort an die Polizei, keine Kooperation!

Freiheit für alle Gefangenen!

 

Quelle:
FERNWEH Anarchistische Straßenzeitung, Ausgabe 27, S. 6, November 2017